FINANZIERUNG DER PFLEGE - EINE ÄRA GEHT ZU ENDE
- Dienstag, 16. Oktober 2018 @ 16:44
Nun wurde hochoffiziell die Debatte über die Finanzierung der Pflege vom Bundeskanzler auf Druck von Hilfswerk und Agenda Austria eröffnet.
Fest steht: Die Ausgaben – Deckel werden nicht halten!!
Die nahezu 100 % budgetfinanzierte Grundlage der Pflegedienstleistungen in Österreich wird unter den gegenwärtig festgelegten Budget-Regeln (Bindung an der BIP Entwicklung) mit mathematischer Sicherheit an seine Grenzen stoßen. Es ist zu erwarten, dass bald die populistische Debatte über Leistungseinschränkungen auf die pflegebedürftige Personen und ihre Angehörigen zukommen wird, wenn die herrschenden Eliten keine neuen Einkommensquellen aufsuchen wollen.
Für den Zeitraum bis 2030 werden derzeit beim Pflegegeld, den Kernprodukten der Langzeitpflege und beim Bundeszuschuss für die 24 h Pflege Wachstumsraten bei den Kosten zwischen 4 und 8 % prognostiziert. Insbesondere bei den Zweckzuschüssen aus dem Pflegefonds wurden allerdings bei den letzten Finanzausgleichsverhandlungen bis 2021 lediglich eine deutlich niedrigere Ausgabensteigerung von jährlich 4,5 %angenommen und entsprechende Finanzpläne gestaltet. Aber auch das ist eine Entwicklung, die sich deutlich von jener der laufenden BIP- Entwicklung entkoppeln wird. Somit steht diese Tendenz im Widerspruch zu den Vorgaben der Gesundheitsreformvorhaben 2013/2016, bei denen die Koppelung der Gesundheitskosten - Ausgabensteigerungen an die BIP Entwicklung definitiv festgeschrieben wurde.
Rechnet man jährliche Ausgabensteigerungen für Pflege von 6 % hoch, kann ein Gesamtaufwand für laufende Pflegekosten von 6,3 Mrd. € bis 2021 angenommen werden, der beinahe zu 100 % aus dem Budget finanziert werden muss. Legt man weiter die Annahme zu Grunde, dass sich die Ausgabensteigerungen der restlichen budgetfinanzierten Ausgabeposten für öffentliche Gesundheit mit einer jährlich 3 % Steigerung begrenzen lassen, dann werden 2021 rund 46 % der budgetfinanzierten Gesundheitsausgaben auf Leistungen für die Pflege entfallen und die kommenden Gesundheitskostengebarungen schwer unter Druck setzen.
Das Beibehalten der Finanzierung der bisherigen Geldtöpfe nach dem Pflegegeldgesetz und dem Pflegefondgesetz mittels Budgetmittel wurde bisher von allen wirkmächtigen politischen Parteien favorisiert. Nun ist aber seit einigen Monaten Bewegung in die Debatte gekommen. Bereits im Februar veröffentlichte die wirtschaftsliberale Agenda Austria Ihre Überlegungen und schlug ein verpflichtendes Pflegekonto für jeden Österreicher ab 45 Jahren vor. Daneben steht die Einführung einer privaten Pflicht-Pflegeversicherung auf der Vorschlagsliste des ÖVP-nahen Instituts. Der VP-Europaabgeordnete Karas forderte im Juni gemeinsam mit dem Österreichischen Hilfswerk medienwirksam einen Runden Tisch für die Pflege vor. Vor ein paar Tagen kündigte der Kanzler vor den versammelten Medien an, die Frage der Pflegefinanzierung jetzt schnell zu lösen zu wollen. Gleichzeitig soll aber sein Finanzminister eine Steuerreform ausarbeiten, die Löhne, Einkommen und Unternehmen um 5 Mrd. entlasten kann. Und diese Summe entspricht in etwa den aktuellen Budgetkosten für die Pflege in Österreich. Hier konstruiert der ÖVP-Leader einen gewaltigen Widerspruch und schiebt die Materie gleich wieder seiner Sozialministerin auf deren Schreibtisch.
Auslieferung an die private Versicherungswirtschaft
Wo soll also das Geld für die Pflege dann herkommen?? Das Geld, das den Leuten über Steuersenkung mit der einen Hand in die Tasche geschoben wird, wird sogleich wieder mit der anderen Hand herausgezogen indem den Leuten die verpflichtende Pflegevorsorge vorgeschrieben wird. Der Finanzminister, der aus der privaten Versicherungsbranche kommt macht da bereitwillig mit, denn so erhöht er seine Chancen die Fortsetzung seine Karriere am Ende seiner Regierungs-Tätigkeit abzusichern. Alles erinnert frappant an die Machenschaften des Walter Riester, der in Deutschland zuerst als Minister die private Rentenvorsorge ermöglicht hat um dann schnurstracks in den Aufsichtsrat eines bedeutenden privaten Finanzdienstleisters zu wechseln.
Abgesehen davon, dass die privaten Versicherer bisher keine Garantien abgegeben haben, dass sie in der Lage sind alle bisherigen Leistungsaufwände für die Pflege, wie sie derzeit öffentlich administriert wird – und das schließt sowohl Geldleistungen als auch die Sachleistungen mit ein – in voller Höhe auch zu bezahlen, werden diese jedenfalls enorme Verwaltungskosten an Ihre Kunden weiterverrechnen, die schon allein dadurch anfallen werden, weil die verschiedenen Anbieter mit ungeheurem Werbeaufwand in den Ring steigen werden, um die Gunst der zu Privatkunden degradierten Mitglieder der Solidar-Gesellschaft in Österreich zu erringen. Und drittens ist damit zu rechnen, dass analog zur staatlichen Förderung der Privatpensionen über Steuerabschreibungen auch in diesem Fall wiederum öffentliche Gelder den Privatversicherungen nachgeschmissen werden. Die kumulierten Steuerverluste des Finanzministers durch Abschreibungen für Privatpensionen in Österreich belaufen sich seit Einführung der staatlichen Förderung vor 18 Jahren mittlerweile im dreistelligen Millionenbereich. So werden öffentliche Gelder permanent in die Taschen der privaten Versicherungen gelenkt. Derzeit werden in Brüssel Verhandlungen über europaweite private Pflegeversicherungsmodelle geführt. Wen wundert‘s also, dass der Vorzugsschüler Kurz gerade zum EU Vorsitz derartige Signale aussendet?
Alternativen sind das Gebot der Stunde
Der ZVPÖ erteilt allen Bestrebungen der Regierung sich ihrer Verantwortung auf solche Weise zu entledigen und die Bevölkerung der raffgierigen Versicherungswirtschaft auszuliefern eine entschiedene Absage. Das Risiko der Pflegebedürftigkeit betrifft ebenso wie Krankheit jeden von uns. Pflegeleistungen sind ein eminenter Bestandteil der Daseinsvorsorge für alle BürgerInnen und müssen in der vollen Verantwortlichkeit der öffentlichen Verwaltung bleiben. Pflegeleistungen dürfen nicht zu Waren werden, die den Gesetzmäßigkeiten der Profitmaximierung unterworfen werden.
Die privaten Kapitalvermögensverwalter haben die Verluste ihrer Kunden durch den Finanzcrash vor 10 Jahren mittlerweile mehr als erfolgreich kompensiert. Sowohl die Besteuerung der Substanz der Kapitalvermögen in entsprechender Höhe, wie auch die gestaffelte Besteuerung von Kapitalerträgen sind Verteilungsinstrumente, die eine Mehrheit der Österreicherinnen als gerecht empfinden. Eine zweckgebundene Vermögensbesteuerung für die Finanzierung der Kernprodukte der Pflege wäre jedenfalls in der Lage eine öffentlich finanzierte Pflegevorsorge für alle abzusichern.
Wertschöpfung als Basis einer 4. öffentlichen Versicherungssäule
Eine 2. Alternative würde dem Finanzminister gänzlich alle Sorgen ums Pflegebudget abnehmen, denn es ist tatsächlich hoch an der Zeit endlich das Budget von diesem enorm steigenden Kostenfaktor zu entlasten. Die Umverteilung von produktiven und gesellschaftlichen Reichtum hin zu den Instrumenten der Daseinsvorsorge für die BürgerInnen, angemessen an den Anforderungen aus der Bevölkerungsentwicklung auf Basis der Wertschöpfung wäre ein weiterer Ansatz für die Debatte.
Die Schaffung einer umlagefinanzierten Pflegeversicherung als 4. Säule der öffentlichen Sozialversicherung mit einer Beitrags-Basis im Sinne einer Wertschöpfungsabgabe wäre ein möglicher Weg, der nicht primär den Faktor Arbeit belastet. Ein angemessener Beitrag der kapitalintensiven Branchen zur öffentlichen Pflegevorsorge ist längst überfällig
Dr. Rudi Gabriel
Gesundheitspolitischer Sprecher ZVPÖ
Fest steht: Die Ausgaben – Deckel werden nicht halten!!
Die nahezu 100 % budgetfinanzierte Grundlage der Pflegedienstleistungen in Österreich wird unter den gegenwärtig festgelegten Budget-Regeln (Bindung an der BIP Entwicklung) mit mathematischer Sicherheit an seine Grenzen stoßen. Es ist zu erwarten, dass bald die populistische Debatte über Leistungseinschränkungen auf die pflegebedürftige Personen und ihre Angehörigen zukommen wird, wenn die herrschenden Eliten keine neuen Einkommensquellen aufsuchen wollen.
Für den Zeitraum bis 2030 werden derzeit beim Pflegegeld, den Kernprodukten der Langzeitpflege und beim Bundeszuschuss für die 24 h Pflege Wachstumsraten bei den Kosten zwischen 4 und 8 % prognostiziert. Insbesondere bei den Zweckzuschüssen aus dem Pflegefonds wurden allerdings bei den letzten Finanzausgleichsverhandlungen bis 2021 lediglich eine deutlich niedrigere Ausgabensteigerung von jährlich 4,5 %angenommen und entsprechende Finanzpläne gestaltet. Aber auch das ist eine Entwicklung, die sich deutlich von jener der laufenden BIP- Entwicklung entkoppeln wird. Somit steht diese Tendenz im Widerspruch zu den Vorgaben der Gesundheitsreformvorhaben 2013/2016, bei denen die Koppelung der Gesundheitskosten - Ausgabensteigerungen an die BIP Entwicklung definitiv festgeschrieben wurde.
Rechnet man jährliche Ausgabensteigerungen für Pflege von 6 % hoch, kann ein Gesamtaufwand für laufende Pflegekosten von 6,3 Mrd. € bis 2021 angenommen werden, der beinahe zu 100 % aus dem Budget finanziert werden muss. Legt man weiter die Annahme zu Grunde, dass sich die Ausgabensteigerungen der restlichen budgetfinanzierten Ausgabeposten für öffentliche Gesundheit mit einer jährlich 3 % Steigerung begrenzen lassen, dann werden 2021 rund 46 % der budgetfinanzierten Gesundheitsausgaben auf Leistungen für die Pflege entfallen und die kommenden Gesundheitskostengebarungen schwer unter Druck setzen.
Das Beibehalten der Finanzierung der bisherigen Geldtöpfe nach dem Pflegegeldgesetz und dem Pflegefondgesetz mittels Budgetmittel wurde bisher von allen wirkmächtigen politischen Parteien favorisiert. Nun ist aber seit einigen Monaten Bewegung in die Debatte gekommen. Bereits im Februar veröffentlichte die wirtschaftsliberale Agenda Austria Ihre Überlegungen und schlug ein verpflichtendes Pflegekonto für jeden Österreicher ab 45 Jahren vor. Daneben steht die Einführung einer privaten Pflicht-Pflegeversicherung auf der Vorschlagsliste des ÖVP-nahen Instituts. Der VP-Europaabgeordnete Karas forderte im Juni gemeinsam mit dem Österreichischen Hilfswerk medienwirksam einen Runden Tisch für die Pflege vor. Vor ein paar Tagen kündigte der Kanzler vor den versammelten Medien an, die Frage der Pflegefinanzierung jetzt schnell zu lösen zu wollen. Gleichzeitig soll aber sein Finanzminister eine Steuerreform ausarbeiten, die Löhne, Einkommen und Unternehmen um 5 Mrd. entlasten kann. Und diese Summe entspricht in etwa den aktuellen Budgetkosten für die Pflege in Österreich. Hier konstruiert der ÖVP-Leader einen gewaltigen Widerspruch und schiebt die Materie gleich wieder seiner Sozialministerin auf deren Schreibtisch.
Auslieferung an die private Versicherungswirtschaft
Wo soll also das Geld für die Pflege dann herkommen?? Das Geld, das den Leuten über Steuersenkung mit der einen Hand in die Tasche geschoben wird, wird sogleich wieder mit der anderen Hand herausgezogen indem den Leuten die verpflichtende Pflegevorsorge vorgeschrieben wird. Der Finanzminister, der aus der privaten Versicherungsbranche kommt macht da bereitwillig mit, denn so erhöht er seine Chancen die Fortsetzung seine Karriere am Ende seiner Regierungs-Tätigkeit abzusichern. Alles erinnert frappant an die Machenschaften des Walter Riester, der in Deutschland zuerst als Minister die private Rentenvorsorge ermöglicht hat um dann schnurstracks in den Aufsichtsrat eines bedeutenden privaten Finanzdienstleisters zu wechseln.
Abgesehen davon, dass die privaten Versicherer bisher keine Garantien abgegeben haben, dass sie in der Lage sind alle bisherigen Leistungsaufwände für die Pflege, wie sie derzeit öffentlich administriert wird – und das schließt sowohl Geldleistungen als auch die Sachleistungen mit ein – in voller Höhe auch zu bezahlen, werden diese jedenfalls enorme Verwaltungskosten an Ihre Kunden weiterverrechnen, die schon allein dadurch anfallen werden, weil die verschiedenen Anbieter mit ungeheurem Werbeaufwand in den Ring steigen werden, um die Gunst der zu Privatkunden degradierten Mitglieder der Solidar-Gesellschaft in Österreich zu erringen. Und drittens ist damit zu rechnen, dass analog zur staatlichen Förderung der Privatpensionen über Steuerabschreibungen auch in diesem Fall wiederum öffentliche Gelder den Privatversicherungen nachgeschmissen werden. Die kumulierten Steuerverluste des Finanzministers durch Abschreibungen für Privatpensionen in Österreich belaufen sich seit Einführung der staatlichen Förderung vor 18 Jahren mittlerweile im dreistelligen Millionenbereich. So werden öffentliche Gelder permanent in die Taschen der privaten Versicherungen gelenkt. Derzeit werden in Brüssel Verhandlungen über europaweite private Pflegeversicherungsmodelle geführt. Wen wundert‘s also, dass der Vorzugsschüler Kurz gerade zum EU Vorsitz derartige Signale aussendet?
Alternativen sind das Gebot der Stunde
Der ZVPÖ erteilt allen Bestrebungen der Regierung sich ihrer Verantwortung auf solche Weise zu entledigen und die Bevölkerung der raffgierigen Versicherungswirtschaft auszuliefern eine entschiedene Absage. Das Risiko der Pflegebedürftigkeit betrifft ebenso wie Krankheit jeden von uns. Pflegeleistungen sind ein eminenter Bestandteil der Daseinsvorsorge für alle BürgerInnen und müssen in der vollen Verantwortlichkeit der öffentlichen Verwaltung bleiben. Pflegeleistungen dürfen nicht zu Waren werden, die den Gesetzmäßigkeiten der Profitmaximierung unterworfen werden.
Die privaten Kapitalvermögensverwalter haben die Verluste ihrer Kunden durch den Finanzcrash vor 10 Jahren mittlerweile mehr als erfolgreich kompensiert. Sowohl die Besteuerung der Substanz der Kapitalvermögen in entsprechender Höhe, wie auch die gestaffelte Besteuerung von Kapitalerträgen sind Verteilungsinstrumente, die eine Mehrheit der Österreicherinnen als gerecht empfinden. Eine zweckgebundene Vermögensbesteuerung für die Finanzierung der Kernprodukte der Pflege wäre jedenfalls in der Lage eine öffentlich finanzierte Pflegevorsorge für alle abzusichern.
Wertschöpfung als Basis einer 4. öffentlichen Versicherungssäule
Eine 2. Alternative würde dem Finanzminister gänzlich alle Sorgen ums Pflegebudget abnehmen, denn es ist tatsächlich hoch an der Zeit endlich das Budget von diesem enorm steigenden Kostenfaktor zu entlasten. Die Umverteilung von produktiven und gesellschaftlichen Reichtum hin zu den Instrumenten der Daseinsvorsorge für die BürgerInnen, angemessen an den Anforderungen aus der Bevölkerungsentwicklung auf Basis der Wertschöpfung wäre ein weiterer Ansatz für die Debatte.
Die Schaffung einer umlagefinanzierten Pflegeversicherung als 4. Säule der öffentlichen Sozialversicherung mit einer Beitrags-Basis im Sinne einer Wertschöpfungsabgabe wäre ein möglicher Weg, der nicht primär den Faktor Arbeit belastet. Ein angemessener Beitrag der kapitalintensiven Branchen zur öffentlichen Pflegevorsorge ist längst überfällig
Dr. Rudi Gabriel
Gesundheitspolitischer Sprecher ZVPÖ