Offene Wunde des Sozialstaats: Die Pflege
- Sonntag, 25. November 2018 @ 21:40
Die (Un)Sozialministerin will in den explodierenden Markt der Agenturen, die Betreuungs- bzw. Pflegekräfte für die 24-Stundenpflege vermitteln, eingreifen. Geplant ist ein „Gütesiegel“, das die Einhaltung bestimmter Auflagen ausweist.
Möglicherweise wird der Zuschuss zur 24-Stundenpflege von 550.-Euro für die KlientInnen von diesem Gütesiegel abhängig gemacht. Das würde natürlich nicht bedeuten, dass weniger seriöse Agenturen vom Markt verschwinden – sie werden weiter unter den ärmeren Schichten der Bevölkerung ihre KlientInnen finden. Wer es sich leisten kann, wird auf das „Gütesiegel“ zurückgreifen und die Förderung des Bundessozialamtes kassieren, worauf gerade die Einkommensschwächsten dann eventuell verzichten werden oder müssen.
Das Problem trifft allerdings jetzt schon nicht nur die ärmsten unter den Pfleglingen. Uns liegt folgender Fall vor: Ein alleinstehender 74Jähriger mit Pflegestufe 5, ohne Angehörige, der 24-Stundenbetreuung benötigt, bezieht 1.400.- Nettopension. Dazu kommt eine Witwerpension von 600.- Euro. Das Pflegegeld Stufe 5 beträgt 920.- und der Zuschuss des Bundessozialamt 550.-Euro. Macht zusammen ein verfügbares Einkommen von 3.470.- Euro.
Die von der Volkshilfe und der Caritas angebotenen Verträge (meist für Betreuungskräfte aus Slowenien und Ungarn im 14tage Rhythmus) betragen 70.- Euro pro Tag, also 2.100.- Im Monat. Dazu kommt eine monatliche Pauschale für die Agenturen von jeweils 240.-, die die Qualitätskontrolle (4 bis 6 wöchige Einschau) sichern soll. Das Fahrtgeld für die Betreuungskräfte beträgt bis zu 100.- Euro pro Person. Die 24-Stundenbetreuung kostet also 2.540.- im Monat.
Vom verfügbaren Einkommen verbleiben daher 930.-, davon ist die Miete von 550.- und die Energiekosten von 90.- Euro abzuziehen. Von den restlichen 390.- Euro soll die Verpflegung für zwei Personen (für den Klienten und die jeweilige Betreuungskraft) aufgebracht, die Kosten für Kommunikation und Mobilität bestritten werden – ein Ding der Unmöglichkeit. Irgendwelche Anschaffungen oder Reparaturen sind sowieso nicht finanzierbar.
Die Rechnung ergibt: die 24-Stundenbetreuung auf dieser Basis ist nicht leistbar.
Dabei basiert dieses System als Bestandteil des Niedriglohnsektors und der Ausnutzung von fast ausschließlich weiblichen Arbeitskräften aus Osteuropa, die sonst kaum eine Arbeitsmöglichkeit finden und in die Pseudoselbständigkeit gezwungen werden, was bedeutet, dass sie sich von dem lächerlichen Gehalt selbst versichern müssen.
Wenn die Pflege zu Hause eine Zukunft haben soll, dann nur, wenn einerseits das Pflegegeld wesentlich erhöht und der Zuschuss zumindest verdoppelt oder eine Ausfallshaftung durch die öffentliche Hand übernommen wird. Das ist alles wesentlich billiger als die Betreuung und/oder Pflege im Heim. Solange auf diesem Gebiet finanziell nichts geschieht, bleiben alle anderen Maßnahmen Kosmetik und die Pflege alter Menschen eine der offenen Wunden des Sozialstaates.
Michael Graber
ZVPÖ - Bundesobmann
Möglicherweise wird der Zuschuss zur 24-Stundenpflege von 550.-Euro für die KlientInnen von diesem Gütesiegel abhängig gemacht. Das würde natürlich nicht bedeuten, dass weniger seriöse Agenturen vom Markt verschwinden – sie werden weiter unter den ärmeren Schichten der Bevölkerung ihre KlientInnen finden. Wer es sich leisten kann, wird auf das „Gütesiegel“ zurückgreifen und die Förderung des Bundessozialamtes kassieren, worauf gerade die Einkommensschwächsten dann eventuell verzichten werden oder müssen.
Das Problem trifft allerdings jetzt schon nicht nur die ärmsten unter den Pfleglingen. Uns liegt folgender Fall vor: Ein alleinstehender 74Jähriger mit Pflegestufe 5, ohne Angehörige, der 24-Stundenbetreuung benötigt, bezieht 1.400.- Nettopension. Dazu kommt eine Witwerpension von 600.- Euro. Das Pflegegeld Stufe 5 beträgt 920.- und der Zuschuss des Bundessozialamt 550.-Euro. Macht zusammen ein verfügbares Einkommen von 3.470.- Euro.
Die von der Volkshilfe und der Caritas angebotenen Verträge (meist für Betreuungskräfte aus Slowenien und Ungarn im 14tage Rhythmus) betragen 70.- Euro pro Tag, also 2.100.- Im Monat. Dazu kommt eine monatliche Pauschale für die Agenturen von jeweils 240.-, die die Qualitätskontrolle (4 bis 6 wöchige Einschau) sichern soll. Das Fahrtgeld für die Betreuungskräfte beträgt bis zu 100.- Euro pro Person. Die 24-Stundenbetreuung kostet also 2.540.- im Monat.
Vom verfügbaren Einkommen verbleiben daher 930.-, davon ist die Miete von 550.- und die Energiekosten von 90.- Euro abzuziehen. Von den restlichen 390.- Euro soll die Verpflegung für zwei Personen (für den Klienten und die jeweilige Betreuungskraft) aufgebracht, die Kosten für Kommunikation und Mobilität bestritten werden – ein Ding der Unmöglichkeit. Irgendwelche Anschaffungen oder Reparaturen sind sowieso nicht finanzierbar.
Die Rechnung ergibt: die 24-Stundenbetreuung auf dieser Basis ist nicht leistbar.
Dabei basiert dieses System als Bestandteil des Niedriglohnsektors und der Ausnutzung von fast ausschließlich weiblichen Arbeitskräften aus Osteuropa, die sonst kaum eine Arbeitsmöglichkeit finden und in die Pseudoselbständigkeit gezwungen werden, was bedeutet, dass sie sich von dem lächerlichen Gehalt selbst versichern müssen.
Wenn die Pflege zu Hause eine Zukunft haben soll, dann nur, wenn einerseits das Pflegegeld wesentlich erhöht und der Zuschuss zumindest verdoppelt oder eine Ausfallshaftung durch die öffentliche Hand übernommen wird. Das ist alles wesentlich billiger als die Betreuung und/oder Pflege im Heim. Solange auf diesem Gebiet finanziell nichts geschieht, bleiben alle anderen Maßnahmen Kosmetik und die Pflege alter Menschen eine der offenen Wunden des Sozialstaates.
Michael Graber
ZVPÖ - Bundesobmann