Thema Pensionssplitting
- Montag, 16. März 2020 @ 12:00
Mit wem splittet eine Alleinerzieherin?
Anmerkungen zum geplanten verpflichtenden Pensions-Splitting der türkis-grünen Regierungskoalition von Hilde Grammel
Laut Regierungsprogramm will Türkis-Grün unterschiedliche Maßnahmen prüfen, um die beschämende Altersarmut von Frauen zu lindern. Zur Erinnerung: 70% aller armutsgefährdeten Personen über 65 sind weiblich, die durchschnittliche Alterspension von Frauen beträgt €1.028 (im Vergleich dazu: jene von Männern €1.678). Klarheit besteht in der Regierungskoalition darüber, dass Maßnahmen gegen die Altersarmut von Frauen schon in der Phase des Erwerbslebens getroffen werden müssen. Damit hört sich die Klarheit aber auch schon auf. Als koalitionstaugliche und kostenneutrale Lösung für dieses Problem fasst man nun ein Pensionssplitting ins Auge. Geprüft werden sollen verschiedene Modelle – ein automatisches (für Verheiratete) und ein freiwilliges (für Verheiratete und andere in Partnerschaften Lebende) – im Hinblick darauf, ob sie dem erklärten Ziel der Bekämpfung von Frauenarmut im Alter dienen.
Pensionssplitting bedeutet, dass 50% des Pensionsanteils des berufstätigen Ehepartners bis zum 10. Lebensjahr eines gemeinsamen Kindes (bei mehreren entsprechend länger) automatisch auf das Pensionskonto des nicht erwerbstätigen aufgebucht werden. Im Klartext: Zumeist ist es der Mann, der im Falle der Geburt eines Kindes weiterhin berufstätig bleibt, weil er besser verdient und auch, weil es manchen noch immer als ‚naturgegeben‘ erscheint, dass es die Frau ist, die sich der Kindererziehung, dem Haushalt und der Versorgung der Männer widmet. Dies ist mit steuerlichen Begünstigungen verbunden und fördert das Alleinverdienermodell und damit die Abhängigkeit der Frau vom Ehemann. Von diesem verpflichtenden Pensionssplitting für Eheleute soll es eine einmalige Opt-out-Möglichkeit geben, von der innerhalb einer vorgegebenen Frist Gebrauch zu machen ist, für Patchwork-Familien soll eine praxistaugliche und faire Lösung erarbeitet werden.
Die freiwillige Variante sieht dasselbe vor, nur soll sie für jede Form der Partnerschaft gelten (neben der Ehe auch für eingetragene Partnerschaften und bei Lebensgemeinschaften) und kann jederzeit, also leichter, wieder beendet werden.
So viel zu den Plänen, die im Raum stehen und darauf warten, konkretisiert und in Gesetze gegossen zu werden.
Bisher sorgt nur der Staat für eine finanzielle Abgeltung, wenn Frauen zugunsten der Kinder beruflich zurückstecken, indem ihnen für vier Jahre pro Kind ein fiktives Monatseinkommen von € 1.923 (12x im Jahr) am Pensionskonto gutgeschrieben wird (die „Kindererziehungszeiten“). Nun soll auch innerhalb der Partnerschaften ein Ausgleich stattfinden – so die offizielle Sprachregelung.
Wo liegen die Fallstricke?
Erstens: Frauen werden in ihrer Rolle als Mütter, Ehe- und Hausfrauen bestärkt, um nicht zu sagen: darauf festgelegt. Sie sollen nicht arbeiten gehen (müssen) – es ist das Frauenbild des 19. Jahrhunderts, das hier wiederbelebt wird. Von der Versorgerehe soll der Weg direkt in die Versorgerpension führen. Ebenfalls nicht interessiert die Frage, wie nach zehn oder mehr Jahren Abwesenheit vom Arbeitsplatz der Wiedereinstieg geschafft werden soll – ich wage sogar zu behaupten, dass dieser gar nicht als erstrebenswert angesehen wird. Es mag ja sein, dass in „strukturschwachen“ ländlichen Regionen dieses Modell attraktiv ist, ebenso in der einen oder anderen wohlhabenden städtischen Familie (in jenen Teilen des Landes, in denen die ÖVP über satte Mehrheiten verfügt), aber Abhängigkeiten dieser existenziellen Art sind grundsätzlich alles andere als wünschenswert, denn nicht alle Ehemänner sind oder bleiben freundlich (siehe Gewaltstatistik).
Zweitens: Frauenarbeit wird weiterhin unsichtbar gemacht und verschwindet in der gesamtwirtschaftlichen Leistungsbilanz. Weltweit arbeiten Frauen und Mädchen, so Oxfam, im Jahr 12 Mrd. Stunden unbezahlt. Das entspricht einem Gegenwert von 11 Billiarden $ pro Jahr oder dem 24-fachen Umsatz von Apple, Google und Facebook zusammen. Was kein Mann bereit wäre zu tun, nämlich einen Großteil seines Lebens unbezahlt und „aus Liebe“ das eigene Leben und die eigene Tätigkeit an den Bedürfnissen anderer zu orientieren, wird ganz selbstverständlich von Frauen erwartet.
Drittens: Pensionssplitting bringt einkommensschwachen Familien nichts. Wer auch dank der familieninternen Umverteilung nicht über die Ausgleichszulage von derzeit € 966,65 kommt, hat vom Splitting nichts, weil die Pension ohnehin auf dieses Niveau aufgestockt wird. Der Mann hat dann umsonst einen Teil seiner Ansprüche abgezwackt, was für Paare mit gemeinsamer Kassa ein Nachteil ist.
Viertens: Das Pensionssplitting benachteiligt Alleinerzieherinnen massiv. Es wäre eine Gesetzesmaßnahme, die bewusst einen Teil der weiblichen Bevölkerung, die, objektiv gesehen, dieselbe Arbeit leistet wie jener, der vom Pensionssplitting profitiert, diskriminiert. Das einzige, was durch das Pensionssplitting belohnt wird, ist das Lebensmodell der Ehe und der Partnerschaft, wobei Partnerschaft oftmals ein beschönigendes Wort für das ist, was konkret gelebt wird.
Wie stellen wir uns also die Bekämpfung der Altersarmut von Frauen vor?
Auch wir meinen, dass diese bereits im Erwerbsalter und sogar davor ansetzen muss. Frauen soll ein existenziell abgesichertes, eigenständiges Leben ermöglicht werden, so wie jeder Mann das selbstverständlich für sich beansprucht, wobei die Verwirklichung des Potentials der Mutterschaft nicht zu ihren Lasten gehen darf. Dafür hat eine Gesellschaft zu sorgen, die es ernst meint mit der Gleichberechtigung der Geschlechter. Das bedeutet, eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich – die, nebenbei bemerkt, auch aus ökologischer Sicht sinnvoll ist –, damit auch Väter sich in der Betreuung und Erziehung ihrer Kinder einbringen können und die Hausarbeit mit der Mutter ihrer Kinder teilen können. Existenzsichernde Löhne für alle. Kinderbetreuungseinrichtungen in guter Qualität, leistbar und flächendeckend. Die Schaffung von Arbeitsplätzen in „strukturschwachen“ Regionen durch eine Umstrukturierung des landwirtschaftlichen Sektors. Und nicht zuletzt: Pensionen, von denen mensch leben kann, für alle Mitglieder der Gesellschaft und nicht nur für einige!
Anmerkungen zum geplanten verpflichtenden Pensions-Splitting der türkis-grünen Regierungskoalition von Hilde Grammel
Laut Regierungsprogramm will Türkis-Grün unterschiedliche Maßnahmen prüfen, um die beschämende Altersarmut von Frauen zu lindern. Zur Erinnerung: 70% aller armutsgefährdeten Personen über 65 sind weiblich, die durchschnittliche Alterspension von Frauen beträgt €1.028 (im Vergleich dazu: jene von Männern €1.678). Klarheit besteht in der Regierungskoalition darüber, dass Maßnahmen gegen die Altersarmut von Frauen schon in der Phase des Erwerbslebens getroffen werden müssen. Damit hört sich die Klarheit aber auch schon auf. Als koalitionstaugliche und kostenneutrale Lösung für dieses Problem fasst man nun ein Pensionssplitting ins Auge. Geprüft werden sollen verschiedene Modelle – ein automatisches (für Verheiratete) und ein freiwilliges (für Verheiratete und andere in Partnerschaften Lebende) – im Hinblick darauf, ob sie dem erklärten Ziel der Bekämpfung von Frauenarmut im Alter dienen.
Pensionssplitting bedeutet, dass 50% des Pensionsanteils des berufstätigen Ehepartners bis zum 10. Lebensjahr eines gemeinsamen Kindes (bei mehreren entsprechend länger) automatisch auf das Pensionskonto des nicht erwerbstätigen aufgebucht werden. Im Klartext: Zumeist ist es der Mann, der im Falle der Geburt eines Kindes weiterhin berufstätig bleibt, weil er besser verdient und auch, weil es manchen noch immer als ‚naturgegeben‘ erscheint, dass es die Frau ist, die sich der Kindererziehung, dem Haushalt und der Versorgung der Männer widmet. Dies ist mit steuerlichen Begünstigungen verbunden und fördert das Alleinverdienermodell und damit die Abhängigkeit der Frau vom Ehemann. Von diesem verpflichtenden Pensionssplitting für Eheleute soll es eine einmalige Opt-out-Möglichkeit geben, von der innerhalb einer vorgegebenen Frist Gebrauch zu machen ist, für Patchwork-Familien soll eine praxistaugliche und faire Lösung erarbeitet werden.
Die freiwillige Variante sieht dasselbe vor, nur soll sie für jede Form der Partnerschaft gelten (neben der Ehe auch für eingetragene Partnerschaften und bei Lebensgemeinschaften) und kann jederzeit, also leichter, wieder beendet werden.
So viel zu den Plänen, die im Raum stehen und darauf warten, konkretisiert und in Gesetze gegossen zu werden.
Bisher sorgt nur der Staat für eine finanzielle Abgeltung, wenn Frauen zugunsten der Kinder beruflich zurückstecken, indem ihnen für vier Jahre pro Kind ein fiktives Monatseinkommen von € 1.923 (12x im Jahr) am Pensionskonto gutgeschrieben wird (die „Kindererziehungszeiten“). Nun soll auch innerhalb der Partnerschaften ein Ausgleich stattfinden – so die offizielle Sprachregelung.
Wo liegen die Fallstricke?
Erstens: Frauen werden in ihrer Rolle als Mütter, Ehe- und Hausfrauen bestärkt, um nicht zu sagen: darauf festgelegt. Sie sollen nicht arbeiten gehen (müssen) – es ist das Frauenbild des 19. Jahrhunderts, das hier wiederbelebt wird. Von der Versorgerehe soll der Weg direkt in die Versorgerpension führen. Ebenfalls nicht interessiert die Frage, wie nach zehn oder mehr Jahren Abwesenheit vom Arbeitsplatz der Wiedereinstieg geschafft werden soll – ich wage sogar zu behaupten, dass dieser gar nicht als erstrebenswert angesehen wird. Es mag ja sein, dass in „strukturschwachen“ ländlichen Regionen dieses Modell attraktiv ist, ebenso in der einen oder anderen wohlhabenden städtischen Familie (in jenen Teilen des Landes, in denen die ÖVP über satte Mehrheiten verfügt), aber Abhängigkeiten dieser existenziellen Art sind grundsätzlich alles andere als wünschenswert, denn nicht alle Ehemänner sind oder bleiben freundlich (siehe Gewaltstatistik).
Zweitens: Frauenarbeit wird weiterhin unsichtbar gemacht und verschwindet in der gesamtwirtschaftlichen Leistungsbilanz. Weltweit arbeiten Frauen und Mädchen, so Oxfam, im Jahr 12 Mrd. Stunden unbezahlt. Das entspricht einem Gegenwert von 11 Billiarden $ pro Jahr oder dem 24-fachen Umsatz von Apple, Google und Facebook zusammen. Was kein Mann bereit wäre zu tun, nämlich einen Großteil seines Lebens unbezahlt und „aus Liebe“ das eigene Leben und die eigene Tätigkeit an den Bedürfnissen anderer zu orientieren, wird ganz selbstverständlich von Frauen erwartet.
Drittens: Pensionssplitting bringt einkommensschwachen Familien nichts. Wer auch dank der familieninternen Umverteilung nicht über die Ausgleichszulage von derzeit € 966,65 kommt, hat vom Splitting nichts, weil die Pension ohnehin auf dieses Niveau aufgestockt wird. Der Mann hat dann umsonst einen Teil seiner Ansprüche abgezwackt, was für Paare mit gemeinsamer Kassa ein Nachteil ist.
Viertens: Das Pensionssplitting benachteiligt Alleinerzieherinnen massiv. Es wäre eine Gesetzesmaßnahme, die bewusst einen Teil der weiblichen Bevölkerung, die, objektiv gesehen, dieselbe Arbeit leistet wie jener, der vom Pensionssplitting profitiert, diskriminiert. Das einzige, was durch das Pensionssplitting belohnt wird, ist das Lebensmodell der Ehe und der Partnerschaft, wobei Partnerschaft oftmals ein beschönigendes Wort für das ist, was konkret gelebt wird.
Wie stellen wir uns also die Bekämpfung der Altersarmut von Frauen vor?
Auch wir meinen, dass diese bereits im Erwerbsalter und sogar davor ansetzen muss. Frauen soll ein existenziell abgesichertes, eigenständiges Leben ermöglicht werden, so wie jeder Mann das selbstverständlich für sich beansprucht, wobei die Verwirklichung des Potentials der Mutterschaft nicht zu ihren Lasten gehen darf. Dafür hat eine Gesellschaft zu sorgen, die es ernst meint mit der Gleichberechtigung der Geschlechter. Das bedeutet, eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich – die, nebenbei bemerkt, auch aus ökologischer Sicht sinnvoll ist –, damit auch Väter sich in der Betreuung und Erziehung ihrer Kinder einbringen können und die Hausarbeit mit der Mutter ihrer Kinder teilen können. Existenzsichernde Löhne für alle. Kinderbetreuungseinrichtungen in guter Qualität, leistbar und flächendeckend. Die Schaffung von Arbeitsplätzen in „strukturschwachen“ Regionen durch eine Umstrukturierung des landwirtschaftlichen Sektors. Und nicht zuletzt: Pensionen, von denen mensch leben kann, für alle Mitglieder der Gesellschaft und nicht nur für einige!