Viele Einzelmaßnahmen, aber kein Konzept
- Donnerstag, 30. Juli 2020 @ 15:32
Ein Kommentar von Hilde Grammel.
Ältere und pflegebedürftige Menschen wollen – verständlicherweise – möglichst lange ihr gewohntes Leben in den eigenen vier Wänden weiterführen, da Aufenthalte in Einrichtungen in der eigenen Wahrnehmung einen nicht akzeptablen Verlust an Autonomie und Selbstbestimmung nach sich ziehen. Die gute medizinische Versorgung vor Ort, die Übernahme der versorgenden Tätigkeiten wie Kochen usw., die in Einrichtungen geboten werden, wiegen die Einschränkung der Entscheidungsfreiheit und der noch möglichen selbstbestimmten Gestaltung des Alltags und den Verbleib in der gewohnten Umgebung in den Augen vieler nicht auf.
Bisher wird die Pflege zu Hause überwiegend von – weiblichen – Angehörigen (fast eine Million) geleistet, d.h., von (Schwieger-)Töchtern oder EhepartnerInnen. Viele, oftmals selbst noch im Beruf stehende oder gerade pensionierte Frauen sehen sich damit konfrontiert, ihre Berufstätigkeit aufzugeben oder zumindest einzuschränken, wird ein/e nahe/r Angehörige/r plötzlich pflegebedürftig.
Oftmals wohnen die Angehörigen aber nicht in der Nähe, d.h., sie können die Pflege ihrer Eltern gar nicht übernehmen. Mit Hauskrankenpflegediensten, Heimhilfe oder Essen auf Rädern wird eine Zeitlang noch das Auslangen gefunden, aber wenn dies nicht mehr reicht oder der/die pflegende Angehörige selbst schon hochaltrig oder krank ist, wird es Zeit für eine 24-Stunden-Betreuung oder die Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung.
Die türkis-grüne Regierung hat angesichts der Tatsache, dass bis 2050 mit einer Steigerung des Bedarfs an ausgebildeten Pflegekräften um 127 Prozent oder 79.000 Personen zu rechnen ist, einzelne Verbesserungen angekündigt, aber noch kein Gesamtkonzept für den Pflegebereich vorgelegt. Die Eckpunkte der im Jänner 2020 angekündigten Maßnahmen sind Folgende: Altenpflege soll so viel wie möglich daheim und ambulant erfolgen. Pflegende Angehörige sollen einen Bonus (im Wahlkampf hat die ÖVP diesen mit € 1.500 im Jahr beziffert) und einen garantierten freien Tag pro Woche bekommen, in den Gemeinden sollen Community Nurses auf Abruf bereitstehen. Es sollen kostenlose und wohnortnahe Beratungsstrukturen in Sachen Pflege aufgebaut werden. Außerdem soll es eine Pflegeausbildungsoffensive geben, die an dreijährigen Fachschulen angesiedelt werden soll.
Die 24-Stunden-Betreuung bleibt prekär
Darüber hinaus wird die 24-Stunden-Betreuung speziell gefördert. In diesem Bereich soll die Qualitätssicherung (durch unangemeldete Hausbesuche und die Einführung eines Qualitätszertifikats für Vermittlungsagenturen) verbessert werden.
Bisher weitgehend unklar geblieben ist, wie diese neu geplanten Vorhaben finanziert werden sollen; angekündigt wurde nur, dass dazu Mittel aus der Unfallversicherung lockergemacht werden sollen.
Die seit 2007 geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen für 24-Stunden-Betreuung im Privathaushalt bleiben aufrecht. Diese sind: Die pflegebedürftige Person oder ein/e Angehörige/r beschäftigt a) die betreuende Person als DienstnehmerIn; b) eine Person, die bei einem gemeinnützigen Anbieter (z.B. Volkshilfe, Caritas, Hilfswerk, Rotes Kreuz, Diakonie) angestellt ist oder c) engagiert eine selbstständig erwerbstätige Betreuungskraft mit Gewerbeschein. In allen drei Fällen bekommt die pflegebedürftige Person eine Förderung, sofern sie mindestens Pflegegeld der Stufe 3 bezieht, wobei für Pflegestufe 3 und 4 eine ärztliche Bestätigung über den 24-Stunden-Pflegebedarf vorzulegen ist. Für zwei selbstständig arbeitende PersonenbetreuerInnen – für die eine Wohnmöglichkeit vorhanden sein muss, da sie zumeist aus Osteuropa stammen und sich in einem 14-tägigen Turnus abwechseln – beträgt die Förderung maximal € 550 im Monat, für zwei unselbstständig arbeitende € 1.100. Will man den Pflegeberuf wirklich attraktiver machen, braucht es eine bessere Entlohnung, d.h., höhere Förderung, da die pflegebedürftigen Personen selbst zumeist nicht finanzkräftig sind.
Hilde Grammel:
Historikerin, Literaturwissenschaftlerin
Studium der Geschichte, Anglistik/Amerikanistik und Germanistik an der Universität Wien, war mehr als drei Jahrzehnte lang als Lehrerin tätig. Aktivistin, u. a. in Frauen-, Friedens- und antirassistischen Bewegungen.
Ältere und pflegebedürftige Menschen wollen – verständlicherweise – möglichst lange ihr gewohntes Leben in den eigenen vier Wänden weiterführen, da Aufenthalte in Einrichtungen in der eigenen Wahrnehmung einen nicht akzeptablen Verlust an Autonomie und Selbstbestimmung nach sich ziehen. Die gute medizinische Versorgung vor Ort, die Übernahme der versorgenden Tätigkeiten wie Kochen usw., die in Einrichtungen geboten werden, wiegen die Einschränkung der Entscheidungsfreiheit und der noch möglichen selbstbestimmten Gestaltung des Alltags und den Verbleib in der gewohnten Umgebung in den Augen vieler nicht auf.
Bisher wird die Pflege zu Hause überwiegend von – weiblichen – Angehörigen (fast eine Million) geleistet, d.h., von (Schwieger-)Töchtern oder EhepartnerInnen. Viele, oftmals selbst noch im Beruf stehende oder gerade pensionierte Frauen sehen sich damit konfrontiert, ihre Berufstätigkeit aufzugeben oder zumindest einzuschränken, wird ein/e nahe/r Angehörige/r plötzlich pflegebedürftig.
Oftmals wohnen die Angehörigen aber nicht in der Nähe, d.h., sie können die Pflege ihrer Eltern gar nicht übernehmen. Mit Hauskrankenpflegediensten, Heimhilfe oder Essen auf Rädern wird eine Zeitlang noch das Auslangen gefunden, aber wenn dies nicht mehr reicht oder der/die pflegende Angehörige selbst schon hochaltrig oder krank ist, wird es Zeit für eine 24-Stunden-Betreuung oder die Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung.
Die türkis-grüne Regierung hat angesichts der Tatsache, dass bis 2050 mit einer Steigerung des Bedarfs an ausgebildeten Pflegekräften um 127 Prozent oder 79.000 Personen zu rechnen ist, einzelne Verbesserungen angekündigt, aber noch kein Gesamtkonzept für den Pflegebereich vorgelegt. Die Eckpunkte der im Jänner 2020 angekündigten Maßnahmen sind Folgende: Altenpflege soll so viel wie möglich daheim und ambulant erfolgen. Pflegende Angehörige sollen einen Bonus (im Wahlkampf hat die ÖVP diesen mit € 1.500 im Jahr beziffert) und einen garantierten freien Tag pro Woche bekommen, in den Gemeinden sollen Community Nurses auf Abruf bereitstehen. Es sollen kostenlose und wohnortnahe Beratungsstrukturen in Sachen Pflege aufgebaut werden. Außerdem soll es eine Pflegeausbildungsoffensive geben, die an dreijährigen Fachschulen angesiedelt werden soll.
Die 24-Stunden-Betreuung bleibt prekär
Darüber hinaus wird die 24-Stunden-Betreuung speziell gefördert. In diesem Bereich soll die Qualitätssicherung (durch unangemeldete Hausbesuche und die Einführung eines Qualitätszertifikats für Vermittlungsagenturen) verbessert werden.
Bisher weitgehend unklar geblieben ist, wie diese neu geplanten Vorhaben finanziert werden sollen; angekündigt wurde nur, dass dazu Mittel aus der Unfallversicherung lockergemacht werden sollen.
Die seit 2007 geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen für 24-Stunden-Betreuung im Privathaushalt bleiben aufrecht. Diese sind: Die pflegebedürftige Person oder ein/e Angehörige/r beschäftigt a) die betreuende Person als DienstnehmerIn; b) eine Person, die bei einem gemeinnützigen Anbieter (z.B. Volkshilfe, Caritas, Hilfswerk, Rotes Kreuz, Diakonie) angestellt ist oder c) engagiert eine selbstständig erwerbstätige Betreuungskraft mit Gewerbeschein. In allen drei Fällen bekommt die pflegebedürftige Person eine Förderung, sofern sie mindestens Pflegegeld der Stufe 3 bezieht, wobei für Pflegestufe 3 und 4 eine ärztliche Bestätigung über den 24-Stunden-Pflegebedarf vorzulegen ist. Für zwei selbstständig arbeitende PersonenbetreuerInnen – für die eine Wohnmöglichkeit vorhanden sein muss, da sie zumeist aus Osteuropa stammen und sich in einem 14-tägigen Turnus abwechseln – beträgt die Förderung maximal € 550 im Monat, für zwei unselbstständig arbeitende € 1.100. Will man den Pflegeberuf wirklich attraktiver machen, braucht es eine bessere Entlohnung, d.h., höhere Förderung, da die pflegebedürftigen Personen selbst zumeist nicht finanzkräftig sind.
Hilde Grammel:
Historikerin, Literaturwissenschaftlerin
Studium der Geschichte, Anglistik/Amerikanistik und Germanistik an der Universität Wien, war mehr als drei Jahrzehnte lang als Lehrerin tätig. Aktivistin, u. a. in Frauen-, Friedens- und antirassistischen Bewegungen.