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Ein Briefwechsel des ZVPÖ mit dem Bundespräsidenten

  • Dienstag, 6. Dezember 2022 @ 01:19

Am Bundestag des ZVPÖ am 5. Oktober in Graz wurde der Beschluss gefasst, dem Bundespräsidenten mittels Brief die Sorge der Delegierten über die Angriffe auf und die Aushöhlung der Österreichischen Neutralität als Friedensprojekt zur Kenntnis zu bringen.

Mit Datum 15. November erhielt der ZVPÖ eine vom Adjutanten des Bundespräsidenten Generalmajor Mag. Thomas Starlinger, der auch kurzzeitiger Heeresminister war, gezeichnete Antwort.

Hier der Brief des ZVPÖ im Wortlaut:

An
Herrn Bundespräsidenten
Dr. Alexander Van der Bellen
Ballhausplatz
1010 Wien
Wien, im November 2022

Betrifft: Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts. Appell zur Wahrung der österreichischen Neutralität

Sehr geehrter Herr Bundespräsident,

der Zentralverband der Pensionistinnen und Pensionisten (ZVPÖ) ist neben der Vertretung der sozialen Interessen der älteren Generationen seit seiner Gründung 1924 für Frieden und Solidarität auch in den internationalen Beziehungen eingetreten. Soziale Sicherheit und sozialer Fortschritt im Allgemeinen und für die älteren Generationen im Besonderen erfordern Frieden. In unserem Verband gibt es noch KollegInnen, die sich an die Gräuel des Zweiten Weltkriegs erinnern. Sie, aber auch alle anderen, sind deshalb zutiefst besorgt über die internationale Entwicklung, in der der Krieg wieder als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln betrieben wird. Die Kriege im ehemaligen Jugoslawien, in Nahost, gegen Libyen, in Afghanistan und jüngst gegen die Ukraine haben ein Klima geschaffen, in dem Aufrüstung statt Abrüstung, Konfrontation statt Zusammenarbeit, Kriegspropaganda statt Völkerverständigung dominieren und Wirtschaftskriege auf Kosten der Menschen angezettelt werden. Jeder Krieg untergräbt demokratische Rechte und stärkt autoritäre Tendenzen.

Immer mehr ÖsterreicherInnen machen sich große Sorgen um unsere immerwährende Neutralität. Über österreichisches Territorium wird NATO-Kriegsmaterial per Schiene, Straße und Luftverkehr in andere NATO-Länder transportiert, möglicherweise auch in kriegsführende Länder. Wir halten in Allentsteig Militärübungen mit 1.700 Soldaten und NATO-Truppen ab. Seit 1995 sind wir an der „Partnerschaft für Frieden“ mit österreichischen Soldaten unter NATO-Befehl beteiligt. Der ZVPÖ wendet sich gegen alle Versuche, die österreichische Neutralität noch weiter auszuhöhlen oder gar zugunsten eines Militärpaktes aufzugeben. Österreich beteiligt sich an der völkerrechtswidrigen Sanktionspolitik der EU-Staaten gegen Russland, die unsere Wirtschaft und die Bevölkerung mit massiven Preissteigerungen belastet. Viele ÖsterreicherInnen haben Angst, in einen Wirtschaftskrieg oder gar militärischen Konflikt hineingezogen zu werden. Wir wollen nicht, dass unsere Kinder und Enkelkinder an Kriegen, weder in Europa noch anderswo, teilnehmen müssen. Der wichtigste Beitrag Österreichs zur Erhaltung des Friedens und für die Lösung internationaler Konflikte ist eine aktive Neutralitätspolitik, die wir von der Regierung einfordern. Wir sind solidarisch mit allen zivilen Opfern von Krieg und Vertreibung.

Der ZVPÖ kritisiert die dramatische Erhöhung des österreichischen Rüstungsbudgets. Jede Milliarde, die dafür aufgewendet wird, fehlt im Gesundheitssystem, in der Pflege, für die Sicherung der Pensionen und für Bildung. Mehr Waffen und Soldaten führen nicht zu mehr Frieden. Im Gegenteil, sie erhöhen das Risiko bewaffneter Auseinandersetzungen und Kriege. Sie verstärken die barbarische Kriegslogik „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Sie entziehen der Volkswirtschaft riesige Mittel, die – statt produktiv eingesetzt zu werden – nur die Profite der Rüstungskonzerne vervielfachen und bei der Bewältigung eines der dringendsten Probleme unserer Zeit, der Klimakrise, fehlen.

Sie, Herr Bundespräsident haben die Verpflichtung über die Einhaltung der in der Verfassung verankerten österreichischen Neutralität zu wachen. Waffen- und Truppentransporte durch Österreich oder die Anschaffung von Kriegsmaterial für kriegsführende Länder aus österreichischen Steuermitteln durch die EU sind unseres Erachtens neutralitätswidrig.

Wir ersuchen Sie, als wiedergewählter Bundespräsident, eine starke Stimme im Sinne der Wahrung der österreichischen Neutralität und damit des Friedens zu sein. Wir ersuchen Sie, Herr Bundespräsident, sprechen Sie sich für eine rasche Beendigung aller Kampfhandlungen im Ukrainekrieg und für eine diplomatische Initiative aus, die die beiden kriegführenden Parteien an den Verhandlungstisch bringt.
Setzen Sie sich aktiv dafür ein, dass allen, die den Dienst mit der Waffe während laufender Kampfhandlungen ablehnen, ein faires Asylverfahren in Österreich ermöglicht wird.

Mit vorzüglicher Hochachtung
Michael Graber / Bundesobmann
Herbert Fuxbauer / Bundessekretär

Unser Brief wurde wie folgt beantwortet:

Die Präsidentschaftskanzlei bedankt sich für unser Schreiben und hält in Ihrem Antwortschreiben fest, dass der Bundespräsident die Entwicklungen in der Ukraine sehr genau verfolge. Die Situation in der Ukraine sei im völkerrechtlichen Sinne grundsätzlich als Krieg und daher als Neutralitätsfall einzustufen.

Bereits zu Beginn der kriegerischen Auseinandersetzung habe der Bundespräsident seine Hoffnung auf einen baldigen Waffenstillstand und den Beginn von Verhandlungen Ausdruck verliehen.

Der konkrete Vollzug neutralitätsrechtlicher Bestimmungen falle aber nicht in den gesetzlich festgelegten Wirkungsbereich des Bundespräsidenten. Diese lägen im Außen-, Innen- und Landesverteidigungsministerium. Ferner heißt es in dem Antwortbrief, dass als Folge des EU-Beitritts die Mitwirkung Österreichs an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der EU in die Bundesverfassung aufgenommen worden ist. Dies diene „der Wahrung bzw. Achtung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen“ und schließe „die Mitwirkung an Maßnahmen ein, mit denen die Wirtschafts- und Finanzbeziehungen zu einem oder mehreren Drittländern ausgesetzt, eingeschränkt oder vollständig eingestellt werden“. - Damit ist die Teilnahme Österreichs an den Sanktionen gemeint.

„Bestimmten neutralitätsrechtlichen Verpflichtungen auf verfassungs- und völkerrechtlicher Ebene wurde damit punktuell derogiert. Die Bestimmungen der österreichischen Neutralität kommen bei der Umsetzung von EU-Ratsbeschlüssen im Rahmen der GASP nicht zur Anwendung.“
Genau dieser Umstand der teilweise Außerkraftsetzung der Neutralität war aber das Anliegen und die Kritik unseres Briefes.

Zum Schluss hielt der Brief des Bundespräsidenten fest, dass Österreich sich nicht an Waffenlieferungen an Kriegsparteien beteilige und sich bei den entsprechenden Beschlüssen der EU der Stimme enthalten habe.

Was der Brief allerdings verschweigt, ist die Tatsache, dass aus Mitteln der EU, zu denen Österreich finanziell erheblich beiträgt, sehr wohl Waffen in Milliardenhöhe ins Kriegsgebiet geliefert wurden und werden.

Der Brief bestätigt also die berechtigte Sorge unseres Verbandes über die Tatsache, dass die offizielle Politik schon lange von Grundsätzen der Neutralität abgegangen ist und damit die Möglichkeiten einer unabhängigen österreichischen Friedenspolitik eingeschränkt wurden.