Simone de Beauvoirs „Das Alter“
- Montag, 29. Mai 2023 @ 16:08
Eine Wiederentdeckung
Eine Recherche über den (nur bei uns) neuen Begriff des „Ageismus“ führte mich zu einem Klassiker, der genau diesen neuen Begriff Jahrzehnte vor seiner sprachlichen Verwendung längst angewandt hat – zu Simone de Beauvoirs Werk „Das Alter“, das in den späten Sechzigerjahren geschrieben wurde und mit ihrem „Das andere Geschlecht“ in jeder Hinsicht vergleichbar ist.
Im Gegensatz zur herkömmlichen Altersforschung sieht Beauvoir in alten Menschen keine Kaste, sondern das Altern an sich als einen Prozess, in dem sich auch junge Menschen bewegen. In fast 800 Seiten reist sie durch die Alterssphären der Menschen und betrachtet diese unter biologischen, kulturellen und ökonomischen Aspekten.
Simone de Beauvoir: Das Alter. 9. Aufl., Reinbeck und Berlin 2000, 784 Seiten. € 19
Bei der Beschreibung der verschiedensten Ethnien Asiens, Europas, Amerikas, Australiens und Afrikas legt sie besonderes Augenmerk auf den Umgang mit jenen Alten, die weder im Produktionsprozess (als nomadische oder halbnomadische Viehzüchter, Jäger, sesshafte Ackerbauern) noch im Reproduktionsbereich (Care-Arbeiterinnen im weitesten Sinn, Vermittlerinnen von Wissen und kulturellen Fertigkeiten) eingesetzt werden und jenen, die bis ins höchste Alter im Reproduktionsbereich am Gesellschaftsleben teilnehmen. Die Ergebnisse sind grausam bis paradiesisch.
Aber das ganz Wesentliche dabei ist, dass sie nicht nur bei einer ausführlichen Beschreibung der Verhältnisse bleibt, sondern die Gleichförmigkeiten und Analogien findet, wo der Stand der Entwicklung der Arbeitsmittel und gesellschaftlichen Arbeitsteilung gleich oder ähnlich ist.
„Die Analogien zwischen den Sammlern in Australien und den Sammlern in Afrika sind größer als die zwischen afrikanischen Bauern und afrikanischen Sammlern.“
Ein Plädoyer gegen die Dummheit von Rassismus!
So wie Beauvoir bei der Beschäftigung mit dem Feminismus die Stellung der Frau im Kapitalismus sehr dialektisch differenziert, also nicht als bloßen Nebenwiderspruch von Arbeit und Kapital betrachtet, welcher sich mit der Beseitigung des Kapitalismus quasi selbst erledigt, ist die ausschließende Behandlung von alten Menschen nur durch ständigen Kampf gegen ebendiese Ausgrenzung schon in jungen Lebensjahren notwendig.
Ein Werk, das nicht nur im Bücherschrank stehen sollte.
Eine Recherche über den (nur bei uns) neuen Begriff des „Ageismus“ führte mich zu einem Klassiker, der genau diesen neuen Begriff Jahrzehnte vor seiner sprachlichen Verwendung längst angewandt hat – zu Simone de Beauvoirs Werk „Das Alter“, das in den späten Sechzigerjahren geschrieben wurde und mit ihrem „Das andere Geschlecht“ in jeder Hinsicht vergleichbar ist.
Im Gegensatz zur herkömmlichen Altersforschung sieht Beauvoir in alten Menschen keine Kaste, sondern das Altern an sich als einen Prozess, in dem sich auch junge Menschen bewegen. In fast 800 Seiten reist sie durch die Alterssphären der Menschen und betrachtet diese unter biologischen, kulturellen und ökonomischen Aspekten.
Simone de Beauvoir: Das Alter. 9. Aufl., Reinbeck und Berlin 2000, 784 Seiten. € 19
Bei der Beschreibung der verschiedensten Ethnien Asiens, Europas, Amerikas, Australiens und Afrikas legt sie besonderes Augenmerk auf den Umgang mit jenen Alten, die weder im Produktionsprozess (als nomadische oder halbnomadische Viehzüchter, Jäger, sesshafte Ackerbauern) noch im Reproduktionsbereich (Care-Arbeiterinnen im weitesten Sinn, Vermittlerinnen von Wissen und kulturellen Fertigkeiten) eingesetzt werden und jenen, die bis ins höchste Alter im Reproduktionsbereich am Gesellschaftsleben teilnehmen. Die Ergebnisse sind grausam bis paradiesisch.
Aber das ganz Wesentliche dabei ist, dass sie nicht nur bei einer ausführlichen Beschreibung der Verhältnisse bleibt, sondern die Gleichförmigkeiten und Analogien findet, wo der Stand der Entwicklung der Arbeitsmittel und gesellschaftlichen Arbeitsteilung gleich oder ähnlich ist.
„Die Analogien zwischen den Sammlern in Australien und den Sammlern in Afrika sind größer als die zwischen afrikanischen Bauern und afrikanischen Sammlern.“
Ein Plädoyer gegen die Dummheit von Rassismus!
So wie Beauvoir bei der Beschäftigung mit dem Feminismus die Stellung der Frau im Kapitalismus sehr dialektisch differenziert, also nicht als bloßen Nebenwiderspruch von Arbeit und Kapital betrachtet, welcher sich mit der Beseitigung des Kapitalismus quasi selbst erledigt, ist die ausschließende Behandlung von alten Menschen nur durch ständigen Kampf gegen ebendiese Ausgrenzung schon in jungen Lebensjahren notwendig.
Ein Werk, das nicht nur im Bücherschrank stehen sollte.